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Trotz eines Milliardenbudgets kommt die Digitalisierung in Schulen nur schleppend voran. Jan Moll, Geschäftsführer des IT-Dienstleisters dtm Group, berichtet über Versäumnisse, fehlende Standards und nicht vorhandenes technisches Know-how. Die Infrastruktur werde vernachlässigt. Nur Tablets öffentlichkeitswirksam an Schüler zu verteilen, sei nicht genug.


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Interview-Quelle: Michaela Wurm - ICT CHANNEL

ICT CHANNEL: Mit einem Gesamtvolumen von über fünf Milliarden Euro ist 2019 der »DigitalPakt Schule« in Kraft getreten. Bislang wurde aber nur ein Bruchteil der Summe ausgezahlt. Woran liegt das?
Jan Moll: Die Gründe sind vielfältig. Um die Gelder überhaupt abrufen zu können, müssen die Schulen beispielsweise einen Medienentwicklungsplan erstellen. An den meisten Schulen fehlt es aber an geschultem Fachpersonal, also an technischem Know-how, um solch ein Digitalisierungskonzept zu erstellen. Hinzu kommt: Ist das Konzept einmal entwickelt, geht es zunächst an den Schulträger. Der Schulträger leitet den Antrag wiederum an das Bundesland weiter. Dort wird das Konzept schließlich geprüft und gegebenenfalls bewilligt. Entsprechend aufwendig und zeitintensiv ist dieses Verfahren dann am Ende. Und wir sprechen hier von der Konzeption; noch nicht von der Ausschreibung und noch lange nicht von der Umsetzung. Letztlich sind es aber auch fehlende Vorgaben und Standards, die den Digitalisierungsprozess erschweren, von einer einheitlichen Herangehensweise und übergeordneten Planung ganz zu schweigen.

Schulbild-Laptop

 


ICT CHANNEL: Wie wirkt sich das in der Praxis aus?
Jan Moll: Nehmen wir die Digitalisierung eines mittelständischen Unternehmens. Dort wird im Vorfeld eine klare Strategie und ein genauer Ablaufplan mit strengen Deadlines definiert. Dieses Vorgehen setzt eine enge und strukturierte Zusammenarbeit aller Abteilungen voraus. Einen vergleichbaren Ansatz vermisse ich im Schulumfeld, dort werden viele Maßnahmen kaum oder gar nicht koordiniert und in der Folge verschleppt. Eine geordnete Digitalisierungsstrategie ist so nicht möglich. In diesem Zusammenhang muss ich mich auch wundern, dass bis heute keine einheitlichen Richtlinien für das digitale Arbeiten in Schulen erlassen worden sind. Dabei müssen zentrale Themen wie Datenschutz und Sicherheitsstandards unbedingt angegangen werden.

ICT CHANNEL: Die dtm group ist seit über 15 Jahren im Schulumfeld aktiv. Wie schätzen Sie die aktuelle Lage ein?
Jan Moll: Aus Sicht des Channels wurde das vergangene Jahr verschlafen – besonders mit Blick auf die Infrastruktur. Es wurden Tablets verteilt, aber keine substanziellen Veränderungen auf den Weg gebracht. Doch was hilft das neueste Tablet, wenn es am Ende des Tages nicht angemessen genutzt werden kann? Wenn bei Klassenwechsel 30 Schüler im Klassenraum sitzen und 30 Schüler vor der Türe warten und alle über einen veralteten Access-Point ins Netz wollen? Die öffentliche Diskussion dreht sich um digitale Endgeräte und um Applikationen, vernachlässigt aber die Infrastruktur. Dabei ist das Netzwerk ein enorm wichtiger Baustein. Sprechen wir von Schulen, sprechen wir nicht von Spielzeug-EDV. Oft sind die Anforderungen in Schulen sogar höher als in Unternehmen. Und natürlich werden dann ähnliche und eben leistungsfähige Strukturen benötigt. Aktuell sehen wir dringenden Aufholbedarf.

Fehlende Vorgaben und Standards erschweren den Digitalisierungsprozess

 

ICT CHANNEL: Wie erklären Sie sich diese einseitige Vorgehensweise?
Jan Moll: Laptops zu beschaffen und zu verteilen, ist eine schnelle und öffentlich sichtbare Maßnahme, repräsentativ und populär. Eine Infrastruktur aufzusetzen, dauert und das Ergebnis bleibt weitgehend unsichtbar. Sei es nun die neue Verkabelung oder der neue Access-Point. Und diese Wahrnehmung oder vielmehr Nicht-Wahrnehmung bestimmt dann eben den Diskurs und begünstigt Maßnahmen, die auf die Schnelle vielleicht hilfreich sein mögen, aber keine langfristigen Lösungen bieten.


ICT CHANNEL: Was schlagen Sie vor? Wie sollten die nächsten Schritte aussehen?
Jan Moll: In den vergangenen Monaten haben wir den Anschluss an wichtige Innovationen verpasst. Das ist bitter, aber kein Beinbruch. Wir sollten die zurückliegende Phase abhaken und in die Zukunft denken. Wir müssen uns mit den Themen Augmented Learning und Virtual Learning auseinandersetzen. Und natürlich müssen wir uns dann Gedanken über die Bandbreite machen. Ich denke hier an neue WLAN-Standards wie WiFi 6. Diese Technologie ist prädestiniert für Schulen. Dadurch könnte nicht nur Verkabelung und Anzahl der Datendosen zurückgenommen werden, ich hätte auch ein performantes, sicheres und stabiles Netz, das sehr viele User mit sehr hohen Bandbreiten versorgen kann. In Unternehmen haben wir solche Projekte bereits umgesetzt. An Schulen hingegen sind vergleichbare Standards selten anzutreffen. Wir dürfen aber nicht weitere drei Jahre vergeuden, bis wir uns mit neuen, zukunftsfähigen Technologien auseinandersetzen. Mit einer intelligenten Infrastruktur könnten viele Fallstricke schon im Vorfeld deeskaliert werden.


ICT CHANNEL: Woran scheitert denndie Umsetzung von Technologien wie WiFi 6?
Jan Moll: Im Schulumfeld sind immer mehrere Instanzen in den Entscheidungsprozess involviert – Schulen, Schulträger und Bauämter. Entsprechend kompliziert ist die Gemengelage und entsprechend lang sind die Entscheidungswege. Ein Stolperstein ist aber auch die Ausschreibung. Dort werden neue Technologien wie WiFi 6 nur selten explizit berücksichtigt. Werden die technischen Anforderungen aber nicht zu 100 Prozent spezifiziert, macht meist die leistungsschwächere, aber dafür günstigere Lösung das Rennen. Bei Unternehmen läuft es oft einfacher. Dort haben wir eine Handvoll Ansprechpartner, denen wir die Vorteile einer langfristigen und nachhaltigen Investition in Ruhe erklären können. Und diese Ansprechpartner haben dann auch die entsprechende Entscheidungskompetenz. Letzten Endes müssen Unternehmen auch mit dieser Infrastruktur arbeiten, die Ämter hingegen, haben später nichts mehr damit zu tun. Womöglich spielt auch das eine Rolle.

ICT CHANNEL: Ein großes Thema ist Support und Wartung. Mit welchen Herausforderungen sind die Schulen konfrontiert?
Jan Moll: Die IT-Struktur unterscheidet sich kaum von klassischen Unternehmen, die Support- und Wartungsaufgaben sind daher sehr ähnlich. Aus eigener Erfahrung wissen wir aber, dass die Serviceanforderungen sehr hoch sind, auch wenn es oft nur Kleinigkeiten sind: das Passwort wurde vergessen, ich kann mich nicht mehr anmelden, der Drucker funktioniert nicht. Ohne Zweifel, Schulen sind betreuungsintensiv.

Aus Sicht des Channels wurde das vergangene Jahr verschlafen

 

ICT CHANNEL: Gibt es bei Support und Wartung besondere Eigenheiten?
Jan Moll: Die gibt es. Jedes Jahr kommen Schüler, jedes Jahr gehen Schüler. Die Belegschaft befindet sich permanent im Wechsel. Mit jedem neuen Schuljahr müssen daher die einen aus dem System genommen und die anderen in das System integriert werden – inklusive E-Mail-Adressen anlegen, Rechte vergeben und entziehen, Shares erteilen, einen sicheren WLAN-Zugang zuweisen und ähnlichem. Solche Prozesse und Arbeitsabläufe, also die Verwaltung ganzer Klassen, muss natürlich im Blick gehalten und sauber definiert werden. Aber auch digitale Klassenarbeiten und Abschlussprüfungen sind eine Besonderheit. Hier muss alles reibungslos und ohne Verzögerung funktionieren. Entsprechend kurz müssen daher auch die Reaktionszeiten beim Support sein.


ICT CHANNEL: Wer übernimmt diese Aufgaben in der Regel?
Jan Moll: Es wäre natürlich möglich, diese Aufgaben vor Ort zu übernehmen. Dann aber müssten auch die nötigen Kompetenzen vorhanden sein. Als lokale Partner sind Systemhäuser daher umso mehr gefordert. Nicht nur bei Wartung und Support, sondern im gesamten Prozess, also von der Konzeption über die Ausschreibung bis hin zur Umsetzung. Hier hat der Channel eine Schlüsselrolle zu.


ICT CHANNEL: Bleibt die Frage offen, mit welchen Lösungsansätzen Schulen erfolgreich digitalisiert werden können?
Jan Moll: Als Erfolgsmodell haben sich Schulserver-Lösungen in Kombination mit Mobile Device Management (MDM), einer soliden Cloud-Anbindung, einem belastbaren Wi-Fi sowie einer effizient gemanagten internen IT erwiesen – sowohl in Bezug auf Kosten als auch Nutzen.


ICT CHANNEL: Welche Vorteile bieten solche Lösungen?
Jan Moll: Mit maßgeschneiderten Schulserverlösungen lassen sich beispielsweise wiederkehrende Prozesse vereinfachen und automatisieren. Ich denke hier besonders an die angesprochene Benutzer- und Hardware-Verwaltung. Schulserverlösungen kombiniert mit speziellen Office-Tools erleichtern aber auch den Berufsalltag der Mitarbeiter und ermöglichen rechtlich einwandfreie Cloud-Lösungen für den Distanzunterricht sowie sichere VPN-Tunnel für den Remote-Zugriff. Auf diese Weise können alle Vorgaben der DSGVO eingehalten und die Daten zusätzlich über die interne Firewall geschützt werden.


ICT CHANNEL: Wie kann der Unterricht für Lehrer und Schüler in der Praxis weiter vereinfacht werden?
Jan Moll: Hilfreich sind Techniken wie das Imaging. Sie erlauben den flächendeckenden und automatischen Roll-Out von Software und sind im Schulalltag sehr wertvoll. Bei Klassenwechsel können dann beispielsweise Tablets oder Laptops problemlos an den nächsten Schüler übergeben werden – ohne Datenreste und ohne fehlerhafte Einstellungen. Zudem gibt es mittlerweile viele pädagogische Werkzeuge, die nahtlos in den digitalen Unterricht integriert werden können und das Lehrpersonal entlasten, vom Klassenarbeitsmodus bis hin zum Jugendschutzfilter.


ICT CHANNEL: Kann der »DigitalPakt Schule« doch noch zu einer Erfolgsgeschichte werden?
Jan Moll: Davon bin ich überzeugt. Die notwendigen Konzepte und Technologien sind da. Klug eingesetzt, steht der digitalen Transformation im Bildungswesen nichts mehr im Weg.

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